Versicherung von Ärzten in klinischen Studien

Deckt die Berufshaftpflichtversicherung eines Arztes die Tätigkeit als Prüfarzt ab? Ein Leitfaden zur Versicherung in klinischen Studien

Inhalt

Ärztin mit Maske

Die Versicherung von Ärzten in klinischen Studien ist ein komplexes Thema, denn sie lokalisiert sich inmitten eines Geflechts an rechtlichen und ethischen Anforderungen. Diese Herausforderungen machen eine gründliche Kenntnis der relevanten Haftungsfragen sowie ihrer Absicherung mittels Versicherungsprodukten unerlässlich. 

Dieser Artikel richtet sich an Prüfärzte und angehende Prüfärzte klinischer Studien, die sich über die Bedeutung und die Notwendigkeit von Versicherungen in diesem Berufsfeld informieren möchten. (zu unserem Service für CROs und Sponsoren zur Begleitung klinischer Studien, siehe auch dieser Beitrag

Überblick

Klinische Studien sind ein wesentlicher Bestandteil der medizinischen Forschung und Entwicklung. Sie dienen der wissenschaftlichen Validierung neuer Medikamente, Behandlungsmethoden und medizinischer Geräte hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit. Prüfärzte sind dabei nicht nur für die Durchführung der Studien verantwortlich, sondern auch für die Sicherheit der Studienteilnehmer, sowie insbesondere für die Integrität der angewandten Methoden und erhobenen Daten.

Die Komplexität klinischer Studien und die damit verbundenen Risiken erfordern ein spezifisches Verständnis verschiedener Versicherungstypen. Zu diesen gehören die Berufshaftpflichtversicherung des Arztes, die Probandenversicherung (Studienversicherung) und die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für den Sponsor und/oder das Auftragsforschungsinstitut (Contract Research Organization – CRO). Jede dieser Versicherungen deckt unterschiedliche Schäden ab, die im Rahmen von klinischen Studien auftreten können.

 

Schadens-Arten sowie deren Versicherung

Zum besseren Verständnis unseres heutigen Beitrags möchten wir zunächst kurz daran erinnern, dass die Haftpflichtversichrung grundsätzlich zwischen 3 Arten von Schäden unterscheidet, die durch verschiedene Versicherungstypen abgedeckt werden: 

1. Personenschäden
Personenschäden beziehen sich auf körperliche oder gesundheitliche Beeinträchtigungen, die die versicherte Person einer dritten Person zufügt. In der klinischen Praxis können solche Schäden zum Beispiel aus Fehlern bei der Behandlung, falscher Medikation oder Medikationsmengen sowie unerwarteten Nebenwirkungen von Behandlungsmethoden resultieren. 

2. Sachschäden
Sachschäden umfassen die Beschädigung oder den Verlust von Gegenständen Dritter. 

3. Reine (bzw.) echte Vermögensschäden vs. Vermögens-Folgeschäden
“Reine” bzw. “echte” Vermögensschäden sind finanzielle Verluste, die nicht infolge Personen- oder Sachschäden entstanden sind, sondern “per se”. In der klinischen Forschung können solche Schäden z.B. durch Verzögerungen in der Studiendurchführung, Fehler in der Datenverarbeitung oder Nichteinhaltung von Studienprotokollen entstehen. Reine Vermögensschäden sind in der Berufshaftpflichtversicherung eines Arztes nicht mitversichert.

Vermögensfolgeschäden sind dagegen finanzielle Verluste, die als Folge von Personenschäden oder Sachschäden entstehen, beispielsweise Verdienstausfälle oder entgangene Gewinne. Vermögensfolgeschäden sind in der Regel in der Berufshaftpflichtversicherung eines Arztes mit einer explizit angegebenen Versicherungssumme mitversichert.

Eine gewöhnliche Betriebshaftpflichtversichrung deckt im Normalfall Personen- und Sachschäden, sowie Vermögens-Folgeschäden ab, nicht jedoch reine/echte Vermögensschäden.

Die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung hingegen deckt reine/echte Vermögensschäden ab. Sie bietet zum Beispiel Schutz vor Schadenersatzansprüchen, die aus vertraglichen Pflichtverletzungen oder professionellen Fehlern resultieren, die zu finanziellen Verlusten für das beauftragende Unternehmen führen können.

 

Die Berufshaftpflicht-Versicherung des Arztes

Die Berufshaftpflichtversicherung stellt für Ärzte einen wesentlichen Bestandteil des  Risikomanagements dar. Sie ist eine Form der Haftpflichtversicherung, die speziell darauf ausgelegt ist, Ärzte gegen finanzielle Ansprüche (Schadensersatz) im Falle von Behandlungsfehlern oder anderen berufsbezogenen Versäumnissen zu schützen. Sie deckt sowohl die Kosten der Verteidigung gegen unbegründete Ansprüche als auch die Entschädigung bei berechtigten Schadensersatzforderungen ab. 

In Deutschland ist die Berufshaftpflichtversicherung für Ärzte gesetzlich vorgeschrieben

Deckung im Rahmen klinischer Studien

Das Standardmodell der Berufshaftpflichtversicherung für Ärzte enthält eine Ausschlussklausel für jegliche Schäden, die im Rahmen klinischer Studien entstehen. 

Dies gilt sowohl für Schäden aus Behandlungsfehlern, als auch für zusätzliche Haftungsrisiken in klinischen Studien wie zum Beispiel unerwartete Nebenwirkungen von Medikamenten oder Schäden aus neuartigen Behandlungsmethoden, die in der Studie getestet werden. Und auch Schäden, die nicht direkt aus der ärztlichen Behandlung, sondern zum Beispiel aus administrativen Tätigkeiten in der Studie resultieren.

Für angehende Prüfärzte in klinischen Studien ist es daher essentiell zu verstehen, dass sie allein durch ihre ärztliche Berufshaftpflichtversicherung keinen Schutz für relevante Risiken aus der Tätigkeit in klinischen Studien genießen. Die Begründung der Berufshaftpflichtversicherer für den Ausschluss dieses Tätigkeistfeldes geschieht mit Verweis auf die Probandenversicherung (siehe nächstes Kapitel), oder aber (falls eine Probandenversicherung in Ausnahmefällen nicht zwingend abgeschlossen werden muss) auf einen optionalen Zusatzschutz bzw. eine Erweiterung der bestehenden Berufshaftpflichtversicherung um den Einschluss der entsprechenden erweiterten Risiken.

Die Probanden-Versicherung

Die Probandenversicherung spielt eine zentrale Rolle im Rahmen klinischer Studien und dient dem Schutz der Studienteilnehmer (s.a. das Standard-Bedingungswerk der Probandenversicherung des GDV). Sie ist in Deutschland für die Durchführung der meisten klinischen Studien gesetzlich vorgeschrieben und soll die Studienteilnehmer für Schäden entschädigen, die im Rahmen ihrer Teilnahme an einer klinischen Studie entstehen.

Unterschieden werden dabei grundsätzlich Studien mit Versicherungspflicht nach AMG (Arzneimittelgesetz), nach  MDR (Europäische Verordnung über Medizinprodukte – bzw. MPDG Medizinprodukte-Durchführungsgesetz) sowie nicht-versicherungspflichtige (NV-) Studien.

Die Probandenversicherung versichert dabei immer die Studienteilnehmer. Die Deckung bezieht sich dabei auf Gesundheitsschäden, die durch die Anwendung des zu testenden Medikaments oder Medizinprodukts verursacht werden. Weiterhin werden Personenschäden versichert, die aufgrund von ärztlichen Fehlern, Fehlern des medizinischen Personals oder Mängeln in der Planung und Durchführung der Studie entstehen. Der Versicherer übernimmt Behandlungskosten, Rentenzahlungen, Entschädigungen, Beerdigungskosten und Unterhaltskosten. Nicht erstattet dagegen werden Schmerzensgeld, ebenso nicht genetische Schäden, die erst in nachfolgenden Generationen auftreten, und auch nicht Schäden, die im Rahmen der behandelten Indikation auftreten, sofern sie nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft erwartbar sind.

Die versicherten Mindest-Summen sind dabei in den meisten Ländern der Welt gesetzlich geregelt. In Deutschland betragen sie mindestens 500.000 € pro Patient, sowie mindestens 5 Mio. € pro Studienprotokoll (also für alle Patienten der Studie zusammen). Die Versicherung gilt immer nur für die Dauer der Studie plus Nachbeobachtungs-Phase. Die genauen Bedingungen und Deckungsgrenzen variieren je nach Versicherungspolice und Studientyp.
Einige Versicherer bieten über den Standard Deckungsumfang hinaus mittels Premium-Policen erweiterten Versicherungsschutz an, zum Beispiel für immaterielle Schäden (Schmerzensgeld), genetische Schäden, erweiterte Nachhaftungsperioden, und über den gesetzlichen Rahmen hinausgehende Versicherungssummen.

Abgrenzung Probanden- zur Arzthaftpflichtversicherung

Die Probandenversicherung unterscheidet sich grundlegend von der Berufshaftpflichtversicherung des Arztes. Während die Arzthaftpflicht den Arzt gegen Ansprüche von Dritten versichert, die aus Fehlern oder Versäumnissen seiner ärztlichen Behandlung resultieren, versichert die Probandenversicherung den Studienteilnehmer gegen Schäden, die sich spezifisch aus der Teilnahme an der klinischen Studie ergeben.
Ein wichtiger Aspekt ist hierbei die verschuldensunabhängige Leistung der Probandenversicherung. Dies bedeutet, dass für eine Entschädigung nicht nachgewiesen werden muss, dass ein Fehler oder Versäumnis des Prüfarztes vorliegt. Dieser Unterschied ist von Bedeutung, da er den Schutz der Studienteilnehmer auch in Fällen gewährleistet, in denen kein direktes ärztliches Fehlverhalten festgestellt werden kann.

Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für CROs

Durch ihre umfangreichen Dienstleistungen tragen CROs (“Contract Research Organization”) maßgeblich zum Erfolg klinischer Studien bei. Sie sind verantwortlich für die Rekrutierung und das Management von Studienzentren und Prüfärzten, die Durchführung der Studie gemäß dem Studienprotokoll und die Sicherstellung der Einhaltung ethischer und rechtlicher Standards. 
Angesichts dieser vielfältigen und verantwortungsvollen Rolle sind CROs einer Reihe von Haftungsrisiken ausgesetzt, die durch eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung abgedeckt werden.

Besonderheiten der Vermögensschadenhaftpflicht

Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für CROs dient dem Schutz vor finanziellen Verlusten, die durch Fehler in der Studiendurchführung entstehen können. Diese Versicherung deckt reine Vermögensschäden ab (siehe Erklärung des Konzepts weiter oben).
Zu den versicherten Risiken gehören beispielsweise Schäden durch Verzögerungen in der Studiendurchführung, Fehler im Studiendesign, unzureichende Datenerfassung oder -auswertung und Verstöße gegen regulatorische Vorgaben. Darüber hinaus kann die Versicherung auch Haftungsansprüche aus der Verletzung von Vertraulichkeitsvereinbarungen oder Datenschutzverletzungen abdecken.
Dieser Versicherungsschutz ist für CROs von besonderer Bedeutung, da Fehler in der Studiendurchführung erhebliche finanzielle Einbußen für das beauftragende Unternehmen nach sich ziehen können. 

Schnittstellen und Überschneidungen der Versicherungen

Alle drei genannten Versicherungen dienen dem Schutz vor spezifischen Risiken im medizinischen Bereich.
Während die Berufshaftpflicht sich primär auf Personen- und Sachschäden bezieht, ist die Probandenversicherung im Grunde eine Unfallversicherung. Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung hingegen deckt ausschließlich finanzielle Verluste, die nicht aus physischen Schäden resultieren.

Mögliche Versicherungslücken

Trotz des umfassenden Schutzes, den diese Versicherungen bieten, können Deckungslücken entstehen, insbesondere in Bereichen, in denen sich ihre Zuständigkeiten überschneiden oder ergänzen. Ein Beispiel ist die Behandlung von Patienten im Rahmen einer klinischen Studie: Während bestimmte Aspekte durch die Berufshaftpflicht des Arztes abgedeckt sein könnten, fallen andere möglicherweise in den Bereich der Probandenversicherung, insbesondere wenn es um studienspezifische Risiken geht.
Eine weitere kritische Schnittstelle besteht zwischen der Berufshaftpflicht des Arztes und der Vermögensschadenhaftpflicht für CROs, insbesondere in Bezug auf die Verwaltung und Durchführung klinischer Studien. Probleme können entstehen, wenn nicht klar definiert ist, welche Art von Schäden (Personen-, Sach- oder Vermögensschäden) durch welche Versicherung abgedeckt werden.
Zur Vermeidung solcher Deckungslücken ist ein effektives Risikomanagement erforderlich. Dies beinhaltet die sorgfältige Analyse aller relevanten Versicherungspolicen und zugrunde liegender Bedingungswerke, sowie die Identifizierung von Bereichen, in denen zusätzlicher Schutz erforderlich sein könnte. Eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Versicherungsdeckung auch an die sich ändernden behördlichen Rahmenbedingungen ist ebenfalls unerlässlich.

Fallbeispiele und praktische Anwendung

Im Folgenden möchten wir einige konkrete Fallbeispiele und ihre Versicherungs-Aspekte beleuchten. Die Fälle illustrieren typische Situationen, in denen die entsprechenden Versicherungen greifen.

Fallbeispiel 1: Ein Patient erleidet während einer klinischen Studie schwere Nebenwirkungen aufgrund eines neuen Medikaments. Der Patient klagt auf Schadensersatz für medizinische Behandlungskosten und Schmerzensgeld.
Für den Ersatz der Behandlungskosten greift die Probandenversicherung, ohne Rücksicht auf den Schadenverursacher. Ein Regress desselben durch den Probanden-Versicherer, solange kein Vorsatz vorliegt, ist durch das Bedingungswerk der Probanden-Versicherung ausgeschlossen.
Schmerzensgeld hingegen übernimmt die Probandenversicherung nicht. Um solche Ansprüche dennoch zu versichern, könnte ein zusätzlicher Baustein in der Probandenversicherung gegen Aufpreis eingeschlossen oder in der Haftpflichtversicherung des ausführenden Auftrag Instituts bzw. des Arztes mitversichert werden.

Fallbeispiel 2: Ein Fehler im Studiendesign einer CRO führt zu unzureichenden Daten, die die Wirksamkeit eines Medikaments nicht ausreichend belegen können. Der Auftraggeber erleidet dadurch große finanzielle Verluste durch die Notwendigkeit des Studienabbruchs bzw. einer Wiederholung der Studie sowie der durch diesen Verzug verringerten Patentlaufzeit für die spätere exklusive Kommerzialisierung des zu prüfenden Medikaments.
Hier greift die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung der CRO, da der finanzielle Verlust aufgrund eines Fehlers im operativen Geschäft der CRO entstanden ist. Die Versicherung würde hier für die finanziellen Einbußen des Auftraggebers aufkommen.

Fallbeispiel 3: Ein Arzt beschädigt versehentlich ein elektrisches Gerät eines Patienten während einer Untersuchung. Der Patient fordert Ersatz für das beschädigte Eigentum.
Hier könnte die normale Betriebshaftpflichtversicherung der CRO relevant greifen, die in der Regel als Zusatzbaustein einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen wird. Der Deckungsumfang wäre allerdings vorab zu prüfen. Alternativ könnte die Berufshaftpflichtversicherung des Arztes greifen, sofern der Schaden nicht direkt mit der Tätigkeit als Prüfarzt zusammenhängt (zur Erinnerung: die Berufshaftpflichtversicherung eines Arztes schließt im Normalfall die Tätigkeiten als Prüfarzt einer klinischen Studie explizit aus, und somit leider auch Sachschäden).

Maßnahmen

Für ein effektives Risikomanagements im Kontext klinischer Studien empfehlen wir folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  1. Detaillierte Analyse der Versicherungspolicen: Ärzte und CROs sollten ihre Versicherungspolicen regelmäßig überprüfen und sicherstellen, dass alle relevanten Risiken abgedeckt sind. Besonderes Augenmerk sollte auf mögliche Deckungslücken gelegt werden.
  2. Fortlaufende Risikobewertung: Die Risiken in klinischen Studien ändern sich ständig. Eine kontinuierliche Bewertung dieser Risiken und eine entsprechende Anpassung der Versicherungspolicen sind entscheidend.
  3. Schulung und Bewusstseinsbildung: Ärzte und Studienpersonal sollten regelmäßig in Bezug auf Versicherungs Aspekte und Risikomanagement geschult werden, um ein tiefes Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen zu fördern.
  4. Zusammenarbeit mit Risikomanagement- und Versicherungsexperten: Eine enge Zusammenarbeit mit Experten hilft Ihnen, Lösungen mit dem besten Verhältnis zwischen Risikovorbeuge und Kosten in klinischen Studien zu finden.
 
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